Giovanni spricht ein umstrittenes Thema an: Sollten wir unsere XR-Kaufentscheidung von politischen Strömungen abhängig machen? Inklusive einer Reaktion von Dennis dazu. Ein polarisierender Beitrag.
Giovanni
Die Grenzen zwischen Technologie, Wirtschaft und Politik verschwimmen zusehends. In einer Zeit, in der CEOs von Tech-Giganten nicht nur wirtschaftliche, sondern auch weitreichende politische Macht ausüben, stellt sich für bewusste Konsumenten die Frage: Inwiefern beeinflussen die politischen Neigungen der Unternehmensführer unsere Kaufentscheidungen?
Dieses Dilemma manifestierte sich kürzlich in einem Gespräch mit einem Flottenkollegen aus Elite Dangerous, als wir über die Anschaffung neuer VR-Hardware sprachen. Er räumte ein, dass seine bestehende Hardware für VR bestens geeignet wäre, ihn aber moralische Bedenken plagten, eine neue VR-Brille von Meta zu erwerben – gerade angesichts der öffentlich wahrgenommenen Unterstützung Mark Zuckerbergs für rechtsextreme Politiker wie Donald Trump im Wahlkampf.
Diese Haltung wirft eine fundamentale Frage auf: Passen die rechte Politik Donald Trumps und seine oft polarisierenden Ansichten tatsächlich zu den politischen Zielsetzungen Mark Zuckerbergs, oder steckt dahinter eine kalkulierte Strategie? Ein Blick in die Vergangenheit offenbart ein komplexes Bild, das eine einfache moralische Verurteilung erschwert.
Zuckerberg hat sich beispielsweise in der Vergangenheit nicht gescheut, den Wahlkampf von Barack Obama zu unterstützen. Dies deutet eher auf eine pragmatische Anpassungsfähigkeit an das politische Klima hin, denn auf eine tief verwurzelte ideologische Verankerung. Auch die öffentlichkeitswirksamen früheren Anfeindungen mit Elon Musk, die bis zur Idee eines MMA-Fights reichten, zeigen eher ein Kräftemessen zweier Alphatiere als eine gemeinsame politische Linie.
Interessanterweise wurde zudem der ehemalige Oculus-Mitbegründer Palmer Luckey angeblich wegen seiner Unterstützung für Trump aus dem Unternehmen gedrängt, was eine gewisse Distanzierung Metas von offen Trump-freundlichen Positionen innerhalb der eigenen Reihen nahelegen könnte – oder zumindest eine Sensibilität für die öffentliche Wahrnehmung.
Dieses Verhalten ist nicht exklusiv für Zuckerberg. Man könnte Parallelen zu Jeff Bezos ziehen, dem Gründer von Amazon. Während Amazons Streaming-Dienst Prime Video das größte Werk der Literatur, “Das Rad der Zeit” – ein Epos mit über vier Millionen Wörtern und mehr als 2.700 handelnden Charakteren – nach der dritten Staffel eingestellt wurde, wurde gleichzeitig die Produktion von “Melania”, einer Dokumentation über die aktuelle First Lady Melania Trump, vorangetrieben. Allein die Lizenzkosten für die Trumps sollen hierfür horrende 40 Millionen US-Dollar betragen haben. Dies verdeutlicht eine Prioritätensetzung, die von kommerziellen oder strategischen Interessen geleitet zu sein scheint.

Was erhoffen sich Persönlichkeiten wie Zuckerberg und Bezos von der Unterstützung oder der Nähe zu umstrittenen politischen Akteuren wie Donald Trump? Die Antwort ist zumeist profaner als ideologisch: Es geht um Vorteile für die eigenen Imperien. Weniger staatliche Auflagen, die ungehinderte Sammlung und Nutzung von Daten, eine reibungslose Expansion durch die Übernahme weiterer Unternehmen oder das Vermeiden von Kartellklagen – all dies sind potenzielle Vorteile, die eine wohlwollende politische Landschaft bieten kann.
Sowohl Zuckerberg als auch Bezos könnten als „Wetterfähnchen im Wind“ bezeichnet werden, die sich mit der jeweils aktuellen politischen Konstellation drehen, wenn sie sich davon einen Vorteil für ihr Geschäft erhoffen. Ihre primäre Loyalität gilt dem Unternehmenswachstum und der Maximierung des Einflusses, weniger einer stringenten politischen Doktrin.
Nun zurück zum Kern des Dilemmas beim Kauf eines XR-Headsets von Meta. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Metas XR-Sparte derzeit keine Gewinne erzielt. Im Gegenteil, dieser Geschäftszweig stellt für das Unternehmen ein signifikantes Verlustgeschäft dar. Trotz dieser roten Zahlen investiert kein anderer Anbieter im XR-Bereich auch nur annähernd so viel wie Meta in die Forschung, Entwicklung und den Ausbau der Infrastruktur für immersive Technologien.

Aus dieser Perspektive wird die moralische Frage komplizierter. Die Anschaffung einer VR-Brille von Meta, selbst wenn man die politischen Ansichten des CEOs kritisch sieht, fördert dessen politische Bemühungen nicht direkt. Das Geld, das durch den Verkauf von Hardware generiert wird, fließt primär in die Finanzierung der verlustreichen, aber zukunftsweisenden XR-Sparte.
Man unterstützt damit die Entwicklung der XR-Technologie als Ganzes, die Meta mit seinen Investitionen maßgeblich vorantreibt und somit dem gesamten Ökosystem zugutekommt – auch anderen Entwicklern, Content-Erstellern und letztlich den Nutzern, die von den Innovationen profitieren.
Zusammenfassend lässt sich argumentieren, dass die direkte moralische Belastung beim Kauf einer Meta VR-Brille in diesem Kontext unerheblich ist, wenn man die Auswirkungen auf die politischen Kampagnen des CEOs betrachtet. Der Kauf stärkt in erster Linie die Entwicklung einer Technologie, die viele als zukunftsweisend und transformativ ansehen.
Die moralische Abwägung bleibt jedoch eine persönliche Entscheidung, die über die reine finanzielle Unterstützung hinausgeht und auch die indirekte Stärkung eines Unternehmens mit einbeziehen kann, dessen Führungspersonen kontroversen politischen Positionen einnehmen. Letztlich muss jeder Konsument für sich selbst entscheiden, ob die Förderung einer Technologie die potenziellen indirekten Assoziationen überwiegt.

Dennis
Ich sehe ein paar Dinge etwas anders als Giovanni und will die Gelegenheit nutzen, seine Ausführungen ein wenig zu ergänzen. Denn nach meiner Ansicht agieren Multimilliardäre wie Zuckerberg mehr und mehr eben doch ideologisch. Oder zumindest in einem gefährlicheren Maße opportunistischer als je zuvor. Ob sie nicht sehen, was sie unterstützen? Ist es ihnen egal oder wollen sie maximalen Vorteil ziehen? Macht es für die Bevölkerung am Ende einen Unterschied?
Palmer Luckey fiel tatsächlich in Ungnade, weil Zuckerbergs Unternehmen die militärischen Bestrebungen des Oculus-Gründers ablehnte. Zu dieser Zeit war eine solche Haltung aber auch en vogue, im Zeitgeist. Spätestens mit der erneuten Wahl Trumps und dem recht eindeutigen Umsetzen von Project 2025 war dieser Zeitgeist Geschichte. Meta verabschiedete sich von jedem Schutz für queere Menschen. Und wer hier jetzt über LGBTQ+ lästern will: Geh einfach.

Das unterstützt Giovannis Argument der Hoffnung auf Vorteile durch einen narzisstischen Präsidenten. Das Fähnchen im Wind. Aber mir geht es bei Meta gerade zu schnell und zu weit damit: Wo vor wenigen Jahren der Gründer einer für Zuckerberg sehr wichtigen Zukunftstechnologiefirmen, Palmer Luckey und Oculus, für seine Armeebegeisterung rausgeschubst wurde, meldet sich Andrew Bosworth und sogar freiwillig, um im Rahmen des “Detachment 201” das Militär bei Techfragen zu unterstützen.
Und nicht nur das, Zuckerberg unterstützt diese Entscheidung explizit. Mit im Army-Tech-Team sind übrigens auch Shyam Sankar von Palantir (ja, DEM Palantir vom Thiel, das die deutsche Polizei so gerne einsetzen möchte), Kevin Weil und Bob McGrew von OpenAI.
Mein Verdacht geht also eher in diese Richtung: Luckey war ein Bauernopfer und flog um dem Zeitgeist gerecht zu werden. Jetzt zeigt sich eher, wie die Tech-Bros ticken: Macht und Reichtum first.
Und das sorgt bei mir für großes Unbehagen in der Magengegend. Problematisch nur, dass ein Boykott fragwürdiger Geschäftsgebaren dafür sorgt, dass ich mich von der Begeisterung für Tech generell verabschieden sollte. Statt Meta bei Pico kaufen? Ich weiß nicht, ob die chinesische Regierung so viel mehr für Freiheit steht als die USA aktuell.
Und ja, ich sehe schon auch Gefahren bei der Nutzung von Technologie von mit dem Faschismus kuschelnden Milliardären. Daten sind wertvoller denn je beispielsweise. Als Gatekeeper im Horizon Store bestimmt Meta zudem, was ihr spielen dürft und was ihr überhaupt zu sehen bekommt.

Zudem sind Technologien wie AR-Brillen, an denen Meta nun auch recht führend mitarbeitet, eng mit KI verknüpft. Für Übersetzungen, Umgebungsanalysen, etc. Problematisch, da KI ebenfalls leicht manipuliert werden kann – ein entsprechend zwielichtiges Unternehmen oder auch ein Staat, der vollen Zugriff darauf hat weil die Führungsetage es sich nicht mit dem Führer verscherzen wollen, kann hier einiges manipulieren. Muss man halt nur pfiffiger anstellen als Elon Musk, dessen eigene KI, Grok, sich immer wieder gegen seine Lügen stellt.
XR-Hardware hat das Potential, ein sie adaptierendes Volk enorm schnell zu desinformieren. Dagegen braucht es Regeln, politische und gesellschaftliche. Die Gesellschaft aber wird immer mehr gespalten und weiß dank “flood the zone with shit” nicht mehr, was sie noch glauben soll und kann und die Politik läuft über jedes von Rechts hingelegte Stöckchen und versucht Probleme zu bekämpfen die faktisch nicht existieren. Wer da wohl gewinnt.
Der Merz wird gefühlt ewig dauern, aus dieser Ecke erwarte ich keine Hilfe für die Menschen sondern nur für Unternehmen. Der Flirt mit Palantir ist da ein weiteres Beispiel – kann man hier das Werk vom Meister Thiel trennen? Es ist doch nur eine Software..
Ich denke mir inzwischen immer: “Wie würde sich eine neue Technologie von antidemokratischen Strömungen nutzen lassen” und meistens gruselt es mich dann sehr.
Hervorragender Artikel! Ich bin bei Meta wieder raus sobald sich die Gelegenheit bietet. Ich warte sehnlichst auf die Deckard.
Danke!
Danke!