AR, Augmented Reality, ist bereits einmal gescheitert und trotzdem prädestiniert, unseren Alltag bald massiv zu verändern. Noch muss die Technik etwas reifen aber das Potential für sehr viele Anwendungsfälle ist erstaunlich.
The Next Big Thing
Die Welt um weitere Informationen und Inhalte erweitern – das klingt sehr nach dem Motto dieser Webseite. Wir haben es aus eben diesem Grunde gewählt: Augmented Reality parat um unser aller Leben zu verändern. Ins Positive oder Negative, wahrscheinlich beides.

Von AR sprechen wir, wenn unsere Wahrnehmung um eine weitere, computerberechnete, Ebene erweitert wird. Im weiten Sinne sind auch die Meta Ray Ban-Brillen AR, auch wenn sie keine Informationen ins Sichtfeld einblenden sondern sich auf Audio beschränken. Genauso wie die zahlreichen Smartphone-Apps, die das Kamerabild um Grafiken oder Informationen erweitern, im Grund tatsächlich AR sind.

Aber sie sind nur AR in den Kinderschuhen. Die Entwicklung schreitet fort, so dass auch AR-Brillen in absehbarer Zukunft zum Alltag gehören könnten. Bereits jetzt ist absehbar, welche Funktionen realisierbar sind und was es im Alltag bedeuten kann, diese Möglichkeiten einsetzen zu können.
Eine im Idealfall unauffällige Brille mit der Möglichkeit, Inhalte in das Sichtfeld der sie tragenden Person einzublenden. Im Gestell sind Kameras und Mikrofone integriert, um die Umwelt auswerten zu können. Die daraus generierten Informationen werden dann quasi über die Realität gelegt, so dass eine augmentierte, erweiterte, Realität entsteht.

Angesichts der Fortschritte bei KI-Anwendungen, wird auch dieser aktuellen Technologie ein wichtiger Platz in der AR zuteil kommen. All die einfließenden Informationen und Daten wollen ausgewertet, daraus dann für den User sinnvolle Dinge extrahiert und angezeigt werden.
Google Glass kam zu früh aber das Problem waren die User
Doch was ist damit nun überhaupt möglich? Der erste größere Versuch, AR zu etablieren, stammte von Google. Deren Google Glasses zeigten bereits ein gewisses Potential, sie waren technisch aber noch eher rückständig und konnten die Ansprüche der Sci-Fi-verwöhnten Menschen nicht erfüllen.
Dazu kam eine unkontrollierte und -regulierte Nutzung der integrierten Kamera, so dass Glass-Nutzer irgendwann den wenig schmeichelhaften Spitznamen Glassholes verpasst bekamen. Die Marke war spätestens da verbrannt und es sollte längere Zeit dauern, bis AR wieder medientauglich wurde.
Aufsehen erregte beispielsweise Microsoft mit der Hololens. Einer sehr sperrigen und technisch zwar faszinierenden aber dann doch irgendwie unterwältigenden AR-Brille. Interesse hatte aber das Militär, die schnell erkannt haben, was ein solches Gerät theoretisch bewirken könnte.
Microsoft konnte aber das Problem der zu kleinen Sichtfläche für AR-Inhalte bis zuletzt nicht lösen, mittlerweile wurde Hololens eingestellt. Wer Field-of-View-Bereiche von 90-140 Grad bei Virtual Reality gewohnt ist, dürfte über 40-50 Grad bei AR-Brillen nur schmunzeln.
Tatsächlich hat ein zu kleines Display viele Nachteile in AR-Umgebungen: Inhalte werden oft abgeschnitten, ein immersives “um das virtuelle Objekt herumgehen” scheitert an abgeschnittenen Kanten. Erwachsen wird AR erst mit großflächigeren Inhalten in guter Bildqualität. Also nicht diese halbdurchsichtigen Star-Wars-Hologramme einer Hololens.
AR und KI ergeben zusammen etwas viel größeres
Aber was macht AR aus meiner Sicht so disruptiv? Warum denke ich, dass AR-Hardware den Blick aufs Smartphone (und damit auch Smartphones per se) ablösen könnte?
Weil AR-Hardware ein Smartphone ist. Aber eben auch mehr als das. Die Daten sind immer verfügbar aber im Idealfall nie störend. Es sei denn, sie sollen stören, beispielsweise bei angezeigten Warnungen vor Gefahren. Und es können mehr und umfassendere Daten sein, als bisher auf dem Smartphone.

Wie bereits erwähnt, liefern Kameras, Mikrofone und potentiell auch andere Sensoren in der AR-Hardware viele Informationen, die in ihrer Auswertung extrem viele Nutzungsmöglichkeiten bieten. Und das in vielen Lebensbereichen:
Hilfe bei Sehproblemen: Personen ohne oder mit sehr schwachem Sehvermögen benötigen zwar kein Display für AR, ein Brillengestell mit Kameras kann aber trotzdem im Alltag helfen. Per akustischer Meldung können Informationen über die Umgebung ausgegeben werden. Gefahren auf dem Weg beispielsweise, Ampelphasen, tiefhängende Äste und vieles mehr. Die Brille kann aber auch Schilder und andere Texte vorlesen und, Datenschutzbedenken einmal beiseite geräumt, auch Freunde in Gruppen erkennen.
Hilfe bei Hörproblemen: In ihrem Hörvermögen eingeschränkte Menschen hingegen können sich Umgebungsgeräusche, Gespräche und vieles mehr in der AR-Brille einblenden lassen. So sind wieder auch Gefahrenmeldungen möglich, inklusive Richtungsangabe. Gespräche mit anderen Personen lassen sich automatisch als Text (und das sogar in beliebigen Übersetzungen) anzeigen.

AR in der Ausbildung: Handlungsanweisungen lassen sich in das Sichtfeld einblenden. Bedienung bisher unbekannter Geräte wird so erleichtert, das Lernen neuer Schritte ebenfalls. In VR wird bereits ausgebildet, mit AR lassen sich Ausbildungstools erstellen, die die Realität mit einbeziehen.
AR im Arbeitsleben: Auch wenn AR theoretisch komplette Arbeitsplätze einblenden kann, wird der Monitor wohl noch einige Zeit das klassische Bürogerät bleiben. Allerdings lässt sich AR auch abseits kompletter Bürovirtualisierungen sinnvoll nutzen – für zusätzliche Informationen ohne auf dem Monitor Fenster verschieben zu müssen beispielsweise. Es geht aber weiter: Bereits jetzt gibt es Projektoren, die Ärzten beispielsweise die Adern eines Patienten hervorgehoben darstellen, direkt auf der Haut. Das ließe sich als Overlay recht einfach in AR implantieren. Dabei ist nicht Schluss: Sowohl bei Operationen als auch bei defekten Geräten lassen sich die Fehlerquellen visualisieren und sogar ein Lösungsweg einblenden.
AR im Alltag: Zuerst mag man an überbordende Werbung denken, die in jeder Lebenslage eingeblendet wird. Hier gilt es frühzeitig, politisch entgegenzuwirken – ja mit diesen ungeliebten Verboten und Einschränkungen bitte. Aber es gibt unvorstellbar viele Möglichkeiten, den Alltag mit AR zu verbessern. Routenplaner direkt im Sichtfeld beispielsweise. Einkaufsapps, die sogar den Weg im Supermarkt planen können. Nie wieder nach der Hefe im Kühlbereich suchen, das macht die AR. Apps, die beim Kochen helfen, indem sie die nächsten Schritte und Timer einblenden. Den Kühlschrankinhalt analysieren und Rezepte vorschlagen. In fremden Städten bei der Orientierung helfen. Und natürlich live-Übersetzungen von Sprache und geschriebenen Inhalten.
Der Impact des Smartphones war winzig gegen das Potential von AR
Nehmen wir das Smartphone, das sich innerhalb extrem kurzer Zeit zu einem unverzichtbaren Alltagsgegenstand für viele Menschen entwickelt hat, bietet AR noch einmal deutlich mehr Potential, tatsächlich Mehrwert im Alltag zu bieten. Dazu kommen viele Möglichkeiten für Industrie und Handel, ihre Abläufe zu optimieren. Und für das Handwerk, da die Ausbildung und auch Arbeit vereinfacht werden kann.

Microsoft kam recht weit in der Entwicklung der Hololens, für einen Alltagseinsatz war die Hardware dann aber doch zu sperrig und das Sichtfeld zu schmal.
Dafür braucht es aber nicht nur die passende Hardware, die erst in einigen Jahren auf einem technischen Stand sein wird, um die oben genannten Punkte mit guter Nutzerexperience zu ermöglichen. Es braucht vor allem auch Software, all dieses umzusetzen.
Meta und Apple sorgen bereits für Software
Einen guten Ansatz fahren aktuell Meta und Apple, indem sie bereits Hardware bereitstellen und auch öffentlich verkaufen, auf denen Entwickler neue Software entwickeln und austesten können. So entstehen mit der Zeit bereits Anwendungen, die mit den noch eher eingeschränkten Mixed-Reality-Funktionen einen Mehrwert bieten und neue Nutzungsmöglichkeiten ausloten.

Wenn also AR auf den Massenmarkt kommt, wird es bereits Software geben – notfalls durch Portierungen von Apple Vision Pro oder Meta Quest. Entwicklerstudios haben Erfahrungen und Ideen sammeln können. Ein großes Problem beim Neustart von Virtual Reality vor einigen Jahren war die fehlende Software. Es gab keine Standards für Eingaben und Nutzerführung, Bewegung und vieles mehr. Es gab generell zu wenig und vor allem zu wenig ausgereifte Software, um die Masse zu überzeugen.
Ein Fehlstart bleibt in den Köpfen hängen, genauso wie sich dabei Vorurteile aufbauen. Diese schaden VR immer noch und ich hoffe sehr, dass die Industrie beim Massenmarktstart von AR daraus gelernt hat. Theoretisch könnte AR in der Masse unseren Alltag sehr positiv ändern. Wenn alle Stellschrauben zusammenfinden.